Was zeichnet eine gute VJ-Kamera aus, was muss sie können – und wo findet sie ihre Grenzen. Hier mein Beitrag über die praktischen Hand-Camcorder.
Nichts gegen DSLR und Camcorder. Beide sind gut und haben ihre Einsatzgebiete. Aber ich wollte eine ordentliche VJ-Handkamera, die ich ordentlich bedienen kann. Denn die Bedienbarkeit entscheidet, wie schnell und gut ich eine Aufnahme bekomme. „VJ“ steht für Videojournalist. Ich nenne meine Handkamera gerne „Henkelmann“ – sie hat so einen schönen Handgriff. Solche Kameras eignen sich hervorragend, um Unternehmensvideos selbst zu drehen.
Was macht eine VJ-Kamera aus?
Der entscheidende Grund für den Umstieg auf den Henkelmann war, dass ich alle wichtigen Bedienelemente außen am Gehäuse hatte. Eine Zoomwippe am Handgriff, Räder für Zoom, Blende und Schärfe am Objektiv vorne.
Außerdem zuschaltbare ND-Filter in drei Stufen, Knöpfe für Zebra, Peaking und Stabilisator. Für den Weißabgleich habe ich zwei Schalterpositionen, auf denen ich jeweils einen Abgleich speichern kann. Das ist zum Beispiel gut, wenn ich innen und außen drehen muss. Dann schalte ich die Kamera fix auf die aktuellen Lichtverhältnisse um.
Eine VJ-Kamera ist also vor allem praktisch. Außerdem – und das ist nicht zu unterschätzen – kann man mit so einer Kamera guten Gewissens zum Kunden gehen. Das mag albern klingen, aber Kunden wollen für ihr Geld auch Equipment sehen. Wenn ich mit einem kleinen Camcorder antanze, fragt sich der Kunde, wofür er eigentlich zahlt. Ist leider so.
Der bessere Ton
Zurück zur Technik. Ein weiteres, wichtiges Merkmal des VJ-Camcorders sind ordentliche Ton-Anschlüsse. Die hören auf den Namen „XLR“ und haben dreipolige, dicke Kabel. XLR-Kabel sind robuster, wackeln nicht so schnell und bieten einen besseren Schutz gegen Störungen als dünne Klinken-Kabel.
Außerdem liefern XLR-Kabel die Phantomspeisung von der Kamera an die Mikrofone. Wer sich mal ein Mikro für Klinkenstecker anschaut, wird dort meist eine Batterie finden, die das Mikro mit Strom versorgt. Bei der Phantomspeisung kommt der Saft aus der Kamera.
Eine ordentliche Kamera hat mindestens zwei Toneingänge. Auf diese Weise kann ich zum Beispiel die Umgebungsgeräusche (Atmo) einerseits aufzeichnen und mit über das zweite Mikro einen O-Ton abholen, etwa ein Interview. Oder ich nehme einen Dialog von zwei Interviewpartnern über zwei Mikrofone auf. Beide Eingänge sollten separat aussteuerbar sein.
Ein kleiner Trick, wenn Sie ohnehin nur ein Mikrofon verwenden: Bei den größeren Camcorder kann man eine Tonquelle intern auf zwei Kanäle aufspalten. Auf diese Weise haben Sie zweimal dasselbe Signal, können es aber unterschiedlich aussteuern. Bei meiner Dokumentation „21“ habe ich das so gemacht: Den Atmo-Kanal aufgeteilt, einmal so ausgesteuert, dass leise Geräusche gut zu hören sind und einmal so, dass auch lauter Jubel den Pegel nicht in den roten Bereich drückt. Im Schnitt habe ich mir jeweils die passende Tonspur herausgesucht.
Heute splitte ich bei O-Tönen von Einzelnen fast immer das Signal. Einen Kanal steuere ich von Hand aus, den anderen überlasse ich der Automatik.
Erweiterbarkeit
Ein weiteres Argument für die professionellen Kameras ist deren Erweiterbarkeit. Das fängt bei Schraubfassungen an, an die man zum Beispiel externe Monitore und Rekorder schraubt und geht weiter mit HDMI- oder SDI-Anschlüssen.

Der HD-SDI-Ausgang war ein Hauptkriterium, als ich mich für die Sony NX5e entschieden habe. Eine gute Entscheidung. Denn bei meinem Dokumentarfilm wollte ich Material in hoher Qualität. Dazu habe ich mir einen externen Rekorder gekauft, der das HD-SDI-Signal aus der Kamera als ProRes422 gespeichert hat. Hohe Aufnahmequalität schafft mehr Spielraum bei der Nachbearbeitung. Außerdem hatte ich immer ein Backup: Die interne Aufzeichnung mit der NX5e auf SD-Karten und die Aufnahme mit dem Samurai.
Nachteile
Das Hauptargument gegen einen VJ-Henkelmann ist der Preis. Meine NX5e war 2011 mit rund 3.200 Euro angesetzt. Allerdings hat die noch einen sehr kleinen 1/3-Zoll-Chip und die interne Aufzeichnung reicht nicht für das Fernsehen.
Doch der Preis kann noch steigen. Wenn ich mir heute einen Henkelmann zulegen würde, wäre die PMW 200 von Sony die erste Kamera, die ich mir ansehe. Und als zweites ein Modell von Pansonic, die AG-HPX250. Beide Kameras zeichnen intern mit 422 auf, die PMW 200 hat einen 2/3-1/2-Zoll-Chip, während die Panasonic noch bei 1/3 Zoll ist. Für die Sony sind rund 6.000 Euro fällig, die Panasonic gibt es aktuell für um die 3.100 Euro (Stand April 2014).
Wie auch immer: eine VJ-Kamera reißt ein Loch ins Budget. Sicher gibt es teurere Hobbies. Aber ich würde die Anschaffung solcher Kameras erst dann empfehlen, wenn Sie so weit sind, Geld mit Video zu verdienen – sei es mit einem hochwertigen Videocast, Filmen für die eigene Firma oder als Video-Dienstleister für Unternehmen.
Mein Fazit
Für Reportage-Einsätze, Videojournalismus und Web-TV sind die Henkelmänner klasse und ihr Geld wert. Was ihnen allerdings fehlt ist die optische Qualität für szenische Videos. Für Werbefilme und andere, aufwändige Produktionen gibt es noch bessere Kameras.
Hallo, da hat sich ein kleiner Fehler eingeschlichen die PMW 200 hat einen 1/2“ Chip und keinen 2/3-Zoll-Chip. 😉
Oops, stimmt, danke 🙂