Der klassische Anfänger-Videocast sieht so aus: Mensch steht vor einer Wand und spricht. Meistens ist das Ganze nicht weiter ausgeleuchtet. Es steht also ein relativ dunkler Mensch vor einer gräulichen Wand.
Mein erster Tipp bei solchen Videocasts ist immer: „Weg von der Wand“. Video ist ein Medium, das wie kein anderes Tiefe inszenieren kann. Sogar ganz ohne 3D-Stereoskopie.
Wenn Sie sich vor eine weiße Wand stellen, nehmen Sie dem Bild alle Tiefe. Sie verschmelzen mit dem Hintergrund, das Bild wird flach und zum davonlaufen langweilig. Lesen Sie hier, warum ich einfarbige Hintergründe langweilig finde.
Was also tun? Hier meine drei Vorschläge, die sie je nach Platzverhältnissen und Technik anwenden können:
1. Filmen Sie in den Raum hinein.
Für meinen ersten Videocast habe ich die Fenster unseres Wintergartens mit Vorhangstoff abgehängt und mich davor gestellt. Das Ergebnis will ich Ihnen nicht unbedingt zumuten. Es sieht grässlich aus.
Na gut, so sah das einst aus:
Ich habe Sie gewarnt!
Wenn ich jetzt Videocasts drehe, steht die Kamera fast an der selben Stelle. Nur filme ich vom Wintergarten aus in den Raum hinein. Hinter mir erstrecken sich noch gut fünf Meter Wohnzimmer. Das ist Tiefe!
Da ich im Wintergarten gut Licht habe, brauche ich auch nicht viel zu leuchten. Der Vordergrund mit mir ist schön hell, ich kann die Kamera weit abblenden und damit den Hintergrund abdunkeln. Ich finde, das sieht gut aus.
Hier im Beispiel habe ich noch eine ganz sanfte Lichtkante gesetzt, die von Ihnen aus gesehen über meinem rechten Ohr zu erkennen ist. Aber auch ohne die Kante ist das Bild schon akzeptabel, oder?
Sehen Sie sich in dem Raum um, in dem Sie Ihren Videocast aufnehmen. Wie sind die Lichtverhältnisse, wie sieht es im Raum aus? Stellen Sie sich mal nicht direkt vor die Wand sondern drehen Sie sich um 90 Grad, so dass die Wand rechts oder links von Ihnen steht. Das ergibt schon einmal Tiefe. Oder vielleicht haben Sie ein Regal im Raum. Stellen Sie sich daneben. Regalbretter geben schöne Linien, die eine Perspektive unterstützen.
Wenn Sie in den Raum hinein filmen, ist eine Kamera mit großem Sensor praktisch. Denn der hat einen geringen Schärfebereich womit der Hintergrund schön unscharf wird. Eine Spiegelreflexkamera ist für solche Zwecke ganz gut.
Aber auch eine Kamera mit kleinem Chip – zum Beispiel der ganz normale Camcorder – kann für einen unscharfen Hintergrund sorgen. Stellen Sie dazu die Kamera so weit wie möglich von sich weg. Dann zoomen Sie so heran, dass Ihr Kopf gut im Bildausschnitt zu sehen ist. Je weiter Sie mit der Kamera entfernt sind und heran zoomen, desto größer wird die Brennweite und desto geringer wird die Tiefenschärfe. Nebenbei: Sie brauchen ja auch keinen komplett verschwommenen Hintergrund, es reicht eine leichte Unschärfe. Falls es gar nicht klappt, bleibt der Hintergrund eben scharf. Immer noch besser als eine weiße Wand! (Irgendwo habe ich mal gelesen „Wer mit geringer Schärfentiefe arbeitet ist nur zu faul, den Hintergrund aufzuräumen“.)
2. Vordergrund macht Bild gesund
Haben Sie nicht so viel Raum im Raum? Dann versuchen Sie, Tiefe über den Vordergrund herzustellen. Eine alte Regel sagt „Vordergrund macht Bild gesund“. Ganz einfach geht das, wenn Sie für den Videocast an einem Tisch stehen oder sitzen. Hier kann ein Telefon ein Monitor oder was auch immer den Vordergrund bilden.
Bitte denken Sie aber daran, dass der Vordergrund nur einen Akzent setzen sollte, nicht jedoch das halbe oder ganze Bild dominieren darf.
3. Weg von der Wand
Falls Sie weder Tiefe im Raum haben noch einen Vordergrund, sollten Sie zumindest versuchen, so weit wie möglich von der Wand im Hintergrund wegzukommen. Jeder Meter zählt.
Besonders wichtig ist dieses Prinzip, wenn Sie mit eigenem Licht arbeiten. Falls Sie direkt vor einer Wand stehen und sich beleuchten, werfen Sie einen sehr deutlichen Schlagschatten an die Wand. Je weiter Sie von der Wand weggehen, desto weicher wird der Schatten und desto schöner wird das Bild.
Ein Tipp zum Schluss: Machen Sie Probeaufnahmen an verschiedenen Positionen, bevor Sie sich für Ihren Standort entscheiden. Natürlich sind neben der Tiefe auch noch andere Faktoren wichtig: Zum Beispiel das Licht oder eine ruhige Umgebung. Ausprobieren!
Lieber Herr Goldmann,
Ich heiße Aileen Tobinski und möchte ein Pitch Video für meine Startnext Kampagne für einen Unverpacktladen im Raum Hannover machen. Ich lese ganz intensiv gerade ihren Blog und finde sie sehr sympathisch. Ich habe einen Leitsatz und Ziele, die WFragen, Bilderwelten und Werte bereits ermitteln und niedergeschrieben und bin beim Skript angekommen:
(Vermutlich mit der schwerste Teil der Vorarbeit). Könnten sie mir sagen, wie viele unterschiedliche Bilder ich maximal zeigen sollte? Den Text habe ich auch bereits aufgebaut.
Allerliebste Grüße
Das ist schwer, da eine pauschale Aussage zu machen. Aber ich würde auf jeden Fall mal möglichst viel Bilder aufnehmen. So haben Sie im Schnitt eine gute Auswahl. Mehr dazu in meinem Beitrag zur Five Shot Regel. Viel Erfolg!
Vielen Dank